Vom Suchen und Finden der Worte

Ein Beitrag von Recover your smile e.V.

In diesem Jahr lesen wir viele Posts von Menschen, die traurig sind, weil ein Prominenter an Krebs verstorben ist. Es ist verständlich. Jemanden, den man kennt, den man vielleicht sogar „bewundert“ hat, an diese Krankheit zu verlieren, löst Emotionen aus. Entsprechend groß ist das Echo in den Medien. Dabei richtet sich der Fokus stark auf den Tod. Manchmal erscheint es, als würde die Nachricht, dass ein berühmter Mensch an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben ist, diese Krankheit erst so richtig ins Bewusstsein rücken.

Daher möchten wir heute mal über die Menschen sprechen, die mit der Erkrankung leben. Sie sind überall. Gleich nebenan. In der Familie. In der Schule. Im Büro. Im Sportverein. Im Stockwerk obendrüber. Krebs macht keinen Halt vor Alter und Bildung, vor einem Beruf oder dem, was man im Leben noch so alles vorhat. Obwohl er omnipräsent ist, wird er leider immer noch ausgeblendet. Oder sogar ausgegrenzt.

Immer wieder hören wir Geschichten von unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass sich Freundinnen und Freunde nach der Diagnosestellung zurückgezogen haben. Dass die bisherige Kommunikation in ein tiefes Schweigen mündet – weil man glaubt, nicht die richtigen Worte finden zu können.

Ja, es ist schwer, das Passende zu sagen. Niemand kann sich wirklich hineinversetzen in die Angst, die vom ersten Befund an das Leben begleitet. Aber man kann fragen: „Wie fühlt es sich an? Magst du drüber reden und mir davon erzählen?“

Ja, vielleicht will man nicht dauernd auf die Krankheit angesprochen werden. Manchmal will man einfach mit seinen Freundinnen zusammensitzen und lachen, so wie früher, vor der Krankheit. Ob dies so ist, findet man nur heraus, wenn man zusammensitzt und schaut, ob man zusammen lachen kann. Wenn es früher geklappt hat, klappt es meistens „danach“ auch noch.

Ja, das Leben von Krebspatienten und „Gesunden“ trennen Welten. Was für „Gesunde“ noch theoretisch ist, wird in der Krebserkrankung konkret: Es ist eine bedrohliche und langwierige Erkrankung. Im schlimmsten Fall sogar ohne Heilung. Das macht Angst. Auch den „Gesunden“. Schaut man allerdings ganz ehrlich in sich hinein, so ist diese Angst letztendlich die Spiegelung der eigenen Befindlichkeit: „DU bist krank, das macht MIR Angst.“ Oder anders gesagt: „An Dir erkenne ich, dass ich auch eines Tages schwer krank werden könnte und dass mir dann Schlimmes bevorsteht.“ Und in letzter Konsequenz, dass jedes Leben endlich ist.

Ein Rückzug wegen dieses zwar durchaus menschlichen, aber dennoch irrationalen Grundes ist hochgradig verletzend:

1. Man lässt Freundin /Freund /Kollegen /Partnerin in schweren Zeiten allein.

2. Man tut dies aus purem Egoismus.

Und: Dieser Rückzug ändert nicht das Geringste an der Weichenstellung des eigenen Schicksals. Ja, auch das Umfeld hat Verlustängste. Die Krankheit, die Therapien, die Veränderung sind für alle „drumherum“ belastend. Wenn allerdings jemand erkrankt und sich dann von anderen anhören muss: „Es macht mich so traurig, dass ich Dich vielleicht verlieren könnte. Das kann ich nicht aushalten.“, stellt sich nur eine große Frage: Wenn man es wirklich so ernst meint, dass man sich ein Leben ohne diesen Menschen nicht vorstellen kann, warum verbringt man dann nicht so viel Zeit mit ihm, wie es nur irgendwie geht?

Daher möchten wir heute an Euch da draußen bei Facebook appellieren: Lauft nicht weg, wenn jemand in Eurem Freundeskreis erkrankt. Zieht Euch nicht zurück. Bleibt an seiner Seite. Ihr müsst auch gar nicht viel sagen. Manchmal reicht ein In-den-Arm-nehmen, ein Händedruck. Ein Beieinanderliegen.

Sagt nicht: „Ruf mich an, wenn du was brauchst“, sondern meldet Euch von selbst. Haltet Kontakt, auf welchem Weg auch immer, und wenn es nur kleine Textnachrichten sind.

Äußert kein Mitleid. Wer will schon bemitleidet werden? Das ist demütigend, macht klein. Man schaut auf denjenigen herab, dem man sein Mitleid „schenkt“. Zeigt stattdessen Mitgefühl. Nehmt Anteil am Schicksal des anderen. Artikuliert, dass Ihr die Komplexität der Gefühle des anderen nur ansatzweise erahnen könnt. Aber interessiert Euch dafür. Nehmt seine Sorgen ernst.

Ein stereotypes “Das wird schon wieder” hilft ebenso wenig, wie das Aufzählen düsterer Geschichten, die man “gehört hat”. Redet so miteinander, wie Ihr es schon immer getan habt. Glaubt Ihr wirklich, Krebserkrankte sprechen mit Diagnosestellung eine andere Sprache?

Natürlich dürft Ihr zeigen, was Ihr fühlt: Eure Machtlosigkeit. Sogar Eure Angst davor, diesen wichtigen Menschen vielleicht eines Tages zu verlieren. Aber verliert ihn nicht schon, wenn Ihr doch noch ganz viel wertvolle Zeit gemeinsam verbringen könnt.

Bleibt. Geht auf ihn zu, auch wenn es viel Überwindung kostet und ihr nicht die richtigen Worte zu finden glaubt. Traut Euch. Es lohnt sich. Denn Eure Treue wird mit einer intensiven Freundschaft belohnt, die so tief ist, wie Ihr es Euch niemals hättet vorstellen können.

An der Stelle ein großes Dankeschön an alle, die „geblieben“ sind und die ihre Freunde und Partner durch eine Krebserkrankung begleiten. Wir wissen, dass es ganz, ganz viele sind!

Quelle: Autor Dorothea Seitz / Recover your smile e. V.

PDF  Vom Suchen und Finden der Worte zum Herunterladen

Wir danken Barbara Stäcker und Dorothea Seitz von Recover your smile e.V., dass Brustkrebs Deutschland e.V. den Text übernehmen darf.